Dann erzählen sie mal, wie sie geworden sind, was sie sind .....!
Einleitungen dieser Art höre ich in Video- oder Podcast – Interviews (leider) öfter. Und dann dauert´s. Es ist stellenweise durchaus interessant, was ich da zu hören bekomme, aber eigentlich habe ich auf etwas anderes gewartet. Wenn ich die „große Expertin X“ angekündigt bekomme, dann will ich etwas von dem erfahren: was sie kann und weiß. Natürlich ist auch die Entwicklungsgeschichte einer Person interessant, aber dem gilt nicht das erste Interesse.
Und das eigentliche Problem dabei: die Frage ist meist „sehr offen“. Jeder von uns hat mal was von „offener“ und „geschlossener“ Frage gehört. Aber das ist nur die halbe Geschichte. Eine „offene“ Frage muss sehr konkret bleiben. Sonst bleibt allzu viel Raum für Beliebigkeiten. Daher
TIPP #1 KONKRETE EINSTIEGSFRAGE
Am besten „mitten hinein ins Thema“ und eine Frage stellen, die das Gegenüber so richtig „fordert“.
Die notwendige Einführung des Experten oder der Expertin („wer ist da zu Gast und warum“) übernimmt am besten die/der Moderator*in - mit ein, zwei kurzen Sätzen. Und die Fragen zur Persönlichkeit sind später auch noch interessant. Außerdem: „konkret“ ist nicht nur die Einstiegsfrage, konkret sollten auch alle anderen Fragen sein.
Und sollte dein Experte zu „abgehoben und abstrakt“ werden, dann gilt es ebenso: konkret nachfragen (oder nach einem konkreten Beispiel fragen)
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Nächste Beobachtung: viele Interviewer*innen lassen sich gerne vom Gegenüber „treiben“. Da kommt man leicht vom Weg ab. Für die Zuhörer*innen ist es leichter, dem Interview zu folgen, wenn es stringent und konzis geführt wird. In diesem Sinne
TIPP #2 AUCH EIN INTERVIEW BRAUCHT EINEN ROTEN FADEN
Die Fragen kreisen um das „eine Thema“ und führen zu einem Punkt, einer Pointe, einer Lösung – und wenn schon ein „ganz anderes“ Thema angeschnitten werden muss, dann deutlich machen. Wie ein Kapitel. Und noch etwas sagt die Erfahrung: es braucht für jeden Gedanken, wenn er hängen bleiben soll, eine Interview - Frage. Wenn in einer Antwort zwei und mehr Gedanken ausgerollt werden, bleibt meist einer auf der Strecke. Gilt auch für die Fragestellung: zwei Fragen in einer zu stellen, ist ein „NoGo“. Was geht: die gleiche Frage mit anderen Worten wiederholen, damit man dem Gegenüber Zeit zum Erfassen gibt.
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Die Aufmerksamkeit sinkt, wenn man den Eindruck hat, die/der Interview*in „stochert“ so herum. Probiert mal diese und mal jene Frage aus. Da gibt es ein probates Mittel:
TIPP #3 GUTE VORBEREITUNG
„Gute Vorbereitung“ gilt „immer&überall“ – auch und gerade für Interviews. Das bedeutet Wissen. Wissen, wer der Interviewgast ist, was sein Hintergrund ist, was seine zentralen Gedanken sind – usw.
Und wenn du als Interviewer*in auch weißt, bei welchen Themen deine Expertin „so richtig in Fahrt kommt“, dann bekommst du auch bessere Antworten. Das kann ihr Lieblingsthema sein, das kann aber auch ihr „Knackpunkt“ sein (wo tut´s weh?)
Übrigens: sie steigen in der Achtung der meisten Expert*innen, wenn sie ordentlich vorbereitet sind!
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In der guten Vorbereitung stellt sich auch die Frage: was interessiert meine Zuschauer*innen oder Zuhörer*innen. Das ist meist eine Gratwanderung: zwischen den eigenen Fragen und denen des Publikums.
TIPP #4 WAS SIND DIE FRAGEN MEINES PUBLIKUMS?
die Fragen der Zuhörer*innen sind wichtig! Deine eigenen Fragen können leicht zum abgehobenen Experten – Talk führen. Da kann es auch helfen, sein Umfeld einzubinden: was wäre denn für deine Freund*innen oder Kolleg*innen an einem bestimmten Thema interessant?
Oder anders gesagt: überlege dir, welchen Nutzen dein Publikum von diesem Interview hat? Das kann sehr unterschiedlich ausfallen, je nach Zielgruppe: geht’s um Fragen zur Person oder geht’s drum, ein Problem zu lösen?
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Der fünfte Tipp könnte eigentlich auch der erste Tipp sein: wie ist die Atmosphäre für den Interviewgast?
TIPP #5 SCHAFFE EINE WOHLFÜHLATMOSPHÄRE
Kann sich dein Gast wohl fühlen? Vermittelst du den Eindruck, dass man bei dir gut aufgehoben ist? Kann dein Gast sicher sein, dass du keine Ausschnitte verwendest, die sie oder ihn unvorteilhaft präsentieren? Gibt es bei Video-Interviews einen Maskenbildner oder zumindest ein Schminkset? Passt das Licht? Und stimmt das Mirko?
Viele Menschen sind vor Interviews recht angespannt, besonders dann, wenn sie wenig Erfahrung haben. Ich habe in meinem Leben vermutlich tausende Interviews geführt und ich mache vor einem Interview meist einen „interviewähnlichen“ Small Talk. Das gibt den Leuten die Sicherheit, dass sie gut reden können und ich es gut mit ihnen meine.
Ich stelle damit auch einen „Rapport“ her und Rapport ist besonders bei heiklen Fragen wichtig. Wenn sich zum Beispiel eine Schauspielerin für den Playboy ausgezogen hat (wie kürzlich bei einem ORF - Interview erlebt), kann das natürlich eine gute Frage ergeben. Aber du musst den Rapport bewahren. Wissen, wie dein Gegenüber "tickt". Da ist Fingerspitzengefühl notwendig – aber: die heiklen Fragen sind meist die interessanten Fragen.
Ich hoffe, du kannst mit diesen Tipps was anfangen, wenn´s Fragen dazu gibt: christoph@rohrbacher.info